
Familienrecht: Kindesunterhalt über Höchstbedarf der Düsseldorfer Tabelle
Der zu entscheidende Fall
Das OLG Brandenburg hatte unter dem Aktenzeichen 9 UF 70/11 über einen Fall zu entscheiden, in dem der Vater mehr als 5.100,- € Nettoeinkommen zur Verfügung hat und die Mutter durch eine konkrete Berechnung des Unterhaltsbedarfs des gemeinsamen Kindes mehr als den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle verlangt.
Dabei fasst das OLG zutreffend den derzeitigen Stand der Rechtsprechung des BGH zusammen wie folgt:
Die Mutter wird sich bei dem Verlangen nach einem höheren Unterhalt als dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle darauf beschränken dürfen, besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse zu belegen und dazutun, welche Mittel für die Deckung dieser Bedürfnisse notwendig sind. Das Gericht, das einen derartig erhöhten Bedarf zu beurteilen hat, ist nicht gehindert, den zur Deckung erforderlichen Betrag unter Heranziehung des Mehrbetrages zu berechnen, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer Bedürfnisse mit bereits von den Richtsätzen/Tabellenwerten erfassten Grundbedürfnissen ergibt und den geschuldeten Unterhalt unter Zuhilfenahme allgemeinen Erfahrungswissens nach Maßgabe des § 287 ZPO (= richterliche Schätzung) zu bestimmen. An dieser Rechtsprechung hat der BGH mit weiterem Urteil vom 11. April 2001 (Az. XII ZR 152/) ausdrücklich festgehalten. Auch bei höherem Elterneinkommen muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Lebensalter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern Rechnung trägt. Welche Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten auf dieser Grundlage zu befriedigen sind und welche Wünsche demgegenüber als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen, kann nicht allgemein gesagt, sondern nur unter Würdigung der besonderen Verhältnisse des Betroffenen - namentlich auch einer Gewöhnung des Unterhaltsberechtigten an einen von seinen Eltern während des Zusammenlebens gepflegten aufwändigen Lebensstil - festgestellt werden.
Diese Gesamtumstände und Bedürfnisse müssen nach Maßgabe der vorstehend angeführten Grundsätze vom Unterhaltsberechtigten bzw. dem Elternteil, bei dem das Kind lebt, näher dargelegt werden. Dies gilt umso mehr im hier vorliegenden Fall, in dem der Antragsgegner durchaus nicht unberechtigt die Sorge hegt, dass aus dem Kindesunterhalt auch der Lebensbedarf der Antragstellerin selbst (teilweise) gedeckt werden soll.
Der gemeinsame Sohn war im Zeitpunkt der Trennung der Eltern knapp 10 Jahre alt, also kein Kleinkind mehr, und kann deshalb an einem aufwändigeren familiären Lebensstil aufgrund besonders guter wirtschaftlicher Verhältnisse durchaus bewusst teilgenommen haben, so dass im Grundsatz die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass dieser - gewohnte - Lebensstil ihm als angemessener Bedarf erhalten bleiben muss. Bei den Anforderungen an die Darlegung eines solchen mit Blick auf eine weitergehende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten beanspruchten besonderen Unterhalts(mehr)bedarfs darf allerdings nicht übersehen werden, dass mit dem höchsten Tabellenbetrag schon eine reichlich bemessene Befriedigung des allgemeinen Bedarfs besteht, es also um einen noch darüber hinausgehenden besonders hohen Unterhaltsbedarf geht, der einer entsprechend dezidierten Begründung bedarf.
Nachdem das OLG diese allgemeinen Erwägungen vorweg stellt, beurteilt das Gericht die von der Mutter zur Deckung der besonderen Bedürfnisse des gemeinsamen Sohns neben dem Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle begehrten Aufwendungen wie folgt:
- aufgrund Fehlsichtigkeit des Kindes 21,- € pro Monat für Brillengläser:
ja, vom Vater geschuldet
- Kosten für Skireise und andere auch vor der Trennung besondere Urlaubsreisen, 2.000,- € pro Jahr
nein, vom Vater nicht geschuldet; entsprechend hohe Anteile für Urlaubsaktivitäten sind in dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle bereits enthalten
- Kosten Klassenfahrten
nein, nicht vom Vater geschuldet, es gilt das zur Urlaubs- bzw. Skireise vom Gericht bereits festgestellte
- Kosten teure Sportarten, BMX im Verein
nein, nicht vom Vater geschuldet; aus dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle können zahlreiche sportliche Aktivitäten in einem Sportverein - auch mit Wettkampfbetrieb - zwanglos finanziert werden
- markenorientierte und damit teure Bekleidung des Kindes monatlich 100,- €
nein, nicht vom Vater geschuldet;
Das OLG führt zur begehrten Mehraufwendung für Bekleidung wörtlich aus:
Der Vater ist nicht verpflichtet über dem im höchsten Tabellenunterhalt (zzgl. des bedarfsdeckend einzusetzenden hälftigen Kindergeldes von 92 EUR = 682 EUR) bereits enthaltenen Kleidergeldanteil hinausgehend für die Kleidung des Kindes weitere 100,- € zu bezahlen. Die von der Mutter vorgelegten Fotos streiten auch nicht zwingend für einen außerordentlich exklusiven Kleidungsstil der Familie.
Über die Entscheidung hinausgehender rechtlicher Hintergrund:
Beide Eltern schulden ihren Kindern Kindesunterhalt. Bei minderjährigen Kindern erfüllt der Elternteil, bei dem das Kind wohnt und der das Kind deshalb betreut (nachfolgend wie im Regelfall die Mutter), ihre Verpflichtung zum Kindesunterhalt durch die Betreuung des Kindes. Der andere Elternteil (nachfolgend wie im Regelfall der Vater) trägt zum Kindesunterhalt durch den sogenannten Barunterhalt bei.
Zur Bestimmung der Höhe des Barunterhalts wird von den Oberlandesgerichten in Deutschland alle ein bis zwei Jahre die sogenannte Düsseldorfer Tabelle aufgestellt und der Kindesunterhalt an den derzeitigen Lebensbedarf der Höhe nach angepasst. Der Düsseldorfer Tabelle liegt die Überlegung zugrunde, dass die Lebensstellung des Kindes davon abhängt, wie hoch das Nettoeinkommen des Vaters (bzw. des barunterhaltspflichtigen Elternteils) ist. Entsprechend regelt die Düsseldorfer Tabelle nach Einkommensgruppen und Alter des Kindes, wie hoch der zu zahlende Kindesunterhalt liegt. Die letzte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle endet mit einem Nettoeinkommen von 5.100,- €, gefolgt wird diese Einkommensgruppe mit der Bemerkung, dass bei noch besser verdienenden Vätern der Kindesunterhalt sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet.
Nach der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung kann bei einem höheren Einkommen dann mehr Unterhalt als im Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesen verlangt werden, wenn der konkrete Bedarf des Kindes, der im Einzelnen darzulegen und zu beweisen ist, höher als der höchste Zahlbetrag der Düsseldorfer Tabelle ist. Gerne beraten wir Sie als Ihr Anwalt für Familienrecht zu diesem Thema.
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