Der Zwang zum Deal

Teilnehmer des 35. Strafverteidigertages in Berlin 2011 fordern die Abschaffung des § 257 c StPO weil diese gesetzlich Regelung geeignet ist unzulässigen Druck auf Angeklagte in Richtung auf ein Geständnis auszuüben.

Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.07.2009 trat ohne Vorlaufzeit am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt am 04.08.2009 in Kraft. Damit sollte die jahrelang ausgeübte Praxis des "Deals" eine gesetzliche Verankerung bekommen. Anlässlich seines Vortrags vom 04.10.2010 im Münchner Künstlerhaus zum Thema „Vertrauen in die Justiz - Vertrauen zu den Richtern“ gab der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs Herr Prof. Dr. Günter Hirsch auf die Frage, was er von der gesetzlichen Regelung der Verständigung halte, folgende Antwort, er habe damals an den Beratungen des großen Strafsenats über das grundlegende Urteil vom 03.März 2005 teilgenommen, es sei die interessanteste und spannendste Diskusiion seiner Richterlaufbahn gewesen. Der BGH habe sich damals veranlasst gesehen, die Zulässigkeit von Verfahrensabsprachen zu bestätigen, weil die ihm vorliegenden Statistiken gezeigt hätten, dass mit einer generelle Ablehnung von Verfahrensabsprachen die Funktionstüchtigkeit der Justiz nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Der große Senat sei jedoch der Auffassung gewesen, dass mit seiner Entscheidung die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung erreicht seien und habe deshalb ausdrücklich an den Gesetzgeber appelliert, seine Aufgabe, die grundsätzlichen Fragen des Strafverfahrens zu regeln, wahrzunehmen und eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit und zu den Grenzen der Verfahrensabsprachen zu treffen.
Die inzwischen gemachten Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich mit dem Gesetz die Situation der Angeklagten nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat. Die Formulierung in § 257 c Abs. 2 Satz 2: "Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein" und die Formulierung in Abs. 3 Satz 2: "Es (das Gericht) kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungsbestimmungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben" führt dazu, dass Strafrichter bereits zu Beginn einer Hauptverhandlung den Angeklagten damit konfrontieren, dass sich ein Geständnis für ihn erheblich besser auswirken wird als die Durchführung einer streitigen Verhandlung. Das kann dazu führen, dass Angeklagte, die unschuldig sind und sich einer schwierigen Beweislage ausgesetzt sehen, aus Angst vor einer hohen Strafe ein falsches Geständnis abgeben.