Scheidung: Illoyales Einwirkung auf Versorgungsrechte vor Entscheidung über den Versorgungsausgleich?

Die Kündigung einer privaten Rentenversicherung vor der Scheidung kann beim anlässlich der Scheidung durchzuführenden Versorgungsausgleich, sofern kein Rechtsfertigungsgrund für die Kündigung der Rentenversicherung vorhanden ist, zur fiktiven Berücksichtigung dieses (nun bei der Scheidung nicht mehr vorhandenen) Rentenanrechts beim Rentenausgleich führen.

 

 

Rechtlicher Hintergrund

Der Versorgungsausgleich, der anlässlich jedes Scheidungsverfahrens mit zu klären ist, dient dem Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenanrechte. Der Versorgungsausgleich erstreckt sich auf alle zum Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Rentenanrechte, soweit sie den Eheleuten zustehen (§ 2 VersAusglG). Dabei sind Änderungen der Rentenanrechte, auch wenn diese erst durch Erklärungen der Ehegatten während des Scheidungsverfahrens herbeigeführt werden, bis zum Zeitpunkt des letzten Gerichtstermins im Scheidungsverfahren zu berücksichtigen.

 

Beschränkung des Versorgungsausgleichs

Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs kommt in Betracht, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleich ohne eine Begrenzung zu einer groben Unbilligkeit führt, § 27 VersAusglG.

Eine solche grobe Unbilligkeit nimmt der BGH an, wenn eine Ehegatte auf seine Rentenanrechte „illoyal“ einwirkt und durch diese Disposition des Ehegatten das Rentenanrecht dem Ausgleich zwischen den Ehegatten ganz oder teilweise entzogen wird, BGH FamRZ 2013, 1362.

 

Zu entscheidender Fall

Die Ehegatten hatten 1980 geheiratet, sie trennten sich 2001. Der Ehemann zahlte daraufhin der selbstständig tätigen Ehefrau Trennungsunterhalt bis 2008. 2012 wurde die Ehe geschieden und 2014 der Versorgungsausgleich durchgeführt. 2009 machte die Ehefrau in ihrer selbstständigen Tätigkeit Verluste und kündigte deshalb ihre (geringen) privaten Altersvorsorgeverträge. Aus ihrer gekündigten Altersvorsorge erhielt die Ehefrau sodann 11.600 €, die die Ehefrau für ihren Lebensbedarf verbrauchte.

Im Zeitpunkt der Scheidung waren damit die während der Ehe erwirtschafteten privaten Rentenanrechte der Ehefrau für ihren Unterhalt verbraucht.

 

Die Entscheidung, OLG Schleswig, 11.11.2014, Az.: 10 UF 61/14

Das OLG Schleswig hatte vor diesem Hintergrund zu entscheiden, ob der gesetzliche Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit teilweise zu beschränken ist. Das OLG verneinte eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs und führt als Begründung aus: Selbst wenn die Ehefrau unterhaltsrechtlich wegen Verstoß gegen ihre Erwerbsobliegenheit so zu behandeln ist, als hätte sie höhere Einkünfte, so diente die Kündigung ihrer Altersvorsorge dennoch alleine ihrem Lebensbedarf. Weil es der Ehefrau also nicht darum ging, illoyal auf ihre Rentenanrechte einzuwirken, bzw. den Ehemann zu schädigen, kann es deshalb beim gesetzlichen Versorgungsausgleich verbleiben.

 

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