Familienrecht / Kindesunterhalt: Unterhaltsanspruch besteht nicht, soweit BAföG-Leistungen den Kindesunterhaltsbedarf decken

Ein Kindesunterhalt besteht dann nicht, wenn der Student seinen Unterhaltsbedarf durch BAföG-Leistungen selbst decken kann. Wird ein Antrag auf BAföG vom Studierenden nicht gestellt, wird das Kind im Unterhaltsverfahren deshalb so gestellt als würden BAföG-Leistungen bezogen.

Sachverhalt der Gerichtsentscheidung

Das OLG Hamm hatte über den Kindesunterhaltsanspruch einer bei ihrer Mutter wohnhaften Studentin zu entscheiden. Der Vater der Studentin zahlte freiwillig 212 € Unterhalt. Die junge Frau begehrt, weil sie während des Studiums noch nicht ausreichende eigene Einkünfte erzielte, von Ihrem Vater weiteren Kindesunterhalt in Höhe von 380 € bzw. später 210 €.

Die Studentin hatte (bewusst) unterlassen einen BAföG-Antrag zu stellen. Zur Begründung gab die Studentin im Unterhaltsverfahren an, dass sie sich nicht vor Beginn ihres Berufslebens verschulden möchte.

Entscheidung des OLG

Das OLG sah es als unterhaltsrechtlich vorwerfbar an, dass die Studentin keinen BAföG-Antrag gestellt hatte. BAföG-Leistungen seien nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien (in München und Süddeutschland die SüdL) Einkommen. Aufgrund der günstigen Darlehensbedingungen bei BAföG-Leistungen sei einem Studierenden in der Regel die Aufnahme eines BAföG-Darlehens unterhaltsrechtlich zumutbar.

Auswirkungen der Entscheidung in der Praxis:

Wird ein BAföG-Antrag nicht gestellt, ist dies unterhaltsrechtlich in aller Regel vorwerfbar. Das führt dazu, dass dem Studenten der Unterhalt begehrt die BAföG-Leistungen (auch wenn diese nicht bezogen werden) als Einkommen zugerechnet werden. Unterhaltsrechtlich spricht man von sogenanntem fiktivem Einkommen.

Entscheidung des OLG zum Vorrang von BAföG vor dem Kindesunterhalt wörtlich:

Das BAföG Darlehen ist unverzinslich; es ist in monatlichen Raten von mindestens 105,00 €, beginnend mit dem 5. Jahr nach dem Ende der Förderung zu tilgen, § 18 Abs. 3 BAföG. Auf Antrag kann der Schuldner von der Rückzahlung ganz oder teilweise freigestellt werden; auch besteht bei guten Leistungen in der Abschlussprüfung die Möglichkeit des Teilerlasses, §§ 18 a, 18 b BAföG. Letztlich ist das Darlehen auch nur bis zu einem Höchstbetrag von 10.000,00 € zurückzuzahlen.

Wegen dieser günstigen Darlehensbedingungen ist einem Studierenden in der Regel die Inanspruchnahme von BAföG zumutbar. Bei dieser Zumutbarkeitsprüfung sind die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen. Hierbei gelten die Eltern nach dem System der Einkommens- und Vermögensanrechnung (§§ 21 ff. und 26 ff. BAföG) in Höhe der als Ausbildungsförderung in Betracht kommenden Darlehensbeträge als nicht leistungsverpflichtet, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihnen die Unterhaltsgewährung leicht fällt. Außerdem haben sie im Allgemeinen ihre Kinder bereits über die übliche Ausbildungszeit hinaus bis zur Erlangung der Hochschulreife unterhalten.

Das vollständige Urteil des OLG Hamm (OLG Hamm 2 WF 161/13) finden sie hier.

 

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